Willkommen in Deutschland. Hier zählt nicht, wer du bist. Hier zählt, wie exakt du warst, in schriftlichen Leistungserhebungen auf kariertem Papier unter Neonlicht mit Zeitdruck.
Du willst Arzt werden? Dann kuriere zuerst deinen Abischnitt. Psychologie? Dann analysiere dein Versagen in Stochastik. Du willst Kinder unterrichten? Dann lerne, dich selbst zu benoten.
Numerus Clausus. Klingt nach römischer Würde. Ist aber nur die wohlklingendste Art, jemandem mitzuteilen: „Du bist leider zu spät ins System gefallen.“
Der NC ist kein Maß für Eignung. Er misst keine Leidenschaft, keine Haltung, kein Feuer. Er misst:
Pünktlichkeit, Geduld, und die Fähigkeit, sich 13 Jahre lang ins richtige Format zu falten. Du hast jemanden gepflegt, gearbeitet, überlebt? Zählt nicht. Du hast spät gezündet, zu früh gezweifelt,
nicht funktioniert auf Knopfdruck? Zählt nicht.
Was zählt, ist der Durchschnittswert deiner Vergleiche. Ein Mensch, reduziert auf ein Komma.
Und dann sitzen sie in ihren Kommissionen, sehen: 2,7 und sagen: „Vielleicht reicht das zum Leben. Aber nicht für Medizin.“ Dabei sitzt ihnen womöglich der beste Arzt gegenüber, den dieses Land je hätte haben können, nur eben mit schlechter Handschrift und Angst vor Mathe.
Man sagt: „Irgendwo muss man doch trennen.“ Ja. Aber nicht mit einem Werkzeug, das kein Warum kennt. Kein Wie. Kein Wer. Nur ein: „Wie war dein Punktestand zur Stunde X?“
Der NC trennt nicht die Fähigen von den Unfähigen. Er trennt: die Anpassungsfähigen von den Unbequemen, die Frühstartenden von den Spätblühenden, die Leisen von denen, die nie gefragt wurden. Und das nennen wir dann Chancengleichheit.
Was wäre, wenn wir nicht nur rechnen würden, sondern erkennen?
Wenn wir nicht fragten: „Wie viel hast du erreicht?“ sondern: „Was hast du durchgemacht, um hier zu sitzen?“ Wenn wir nicht Menschen zählten, sondern Menschlichkeit? Aber nein. Wir nehmen die mit 1,0. Die alles wussten, außer vielleicht: wer sie sind.
Tja, wer hätte gedacht, dass man mit einem Schnitt von 1,0 alles erreichen kann, außer vielleicht sich selbst. Doch keine Sorge: Auch das lässt sich sicher bald standardisiert prüfen, bewerten und ablehnen.
Deutschland, deine Talente: am liebsten genormt, mit Rand, Linie und Stempel.
Liebe Grüße eines Parasiten