Es gibt Dinge, auf die man in Deutschland bauen kann: das Finanzamt, den Wetterbericht, der nie stimmt und den Alkohol. Während andere Nationen ihr Selbstverständnis aus Revolutionen, Philosophen oder Technologiekonzernen ziehen, genügt uns ein gepflegtes „Prost“, um uns als Kulturnation zu begreifen. Denn seien wir ehrlich: Unsere kollektive Identität liegt nicht im Grundgesetz, sondern im Grundrausch. Der Deutsche trinkt nicht, er ritualisiert. Er entkorkt nicht, er vollzieht. Der Alkohol ist bei uns keine Droge, sondern eine liturgische Handlung mit Kronkorken als Hostie.
Morgens:
Der Tag beginnt nicht mit einem Sonnenstrahl, sondern mit dem Schäumchen im Glas. Wer zum Frühstück nüchtern erscheint, wird beäugt wie ein Sektkorken mit Charakterstörung. In deutschen Wohnzimmern ist der Frühstückssekt kein Luxus, er ist die flüssige Form von gesellschaftlicher Anpassung.
Mittags:
Andere Länder kennen Mittagspausen, Deutschland kennt den Mittagsschoppen, das stille Manifest gegen nüchterne Produktivität. Der Kollege, der um halb zwei schon mehr schwankt als argumentiert, wird nicht getadelt, sondern belächelt: „Der verträgt halt was.“ In Wahrheit verträgt er nur eins: das Land, in dem ein Radler als Durstlöscher durchgeht und Bier als „isotonisch“ getarnt wird, um nicht aufzufallen.
Abends:
Abends dann das große Finale. Was andernorts als Mahlzeit gilt, ist bei uns nur Vorwand für das Getränk daneben. Wein zur Pasta? Pah. Wir kombinieren Schnaps mit Sauerbraten, Korn mit Kartoffelsalat und ein Export Bier mit dem Export unserer Würde. Hauptsache, es brennt irgendwo im Rachen, denn wo kein Schmerz ist, ist auch keine Wahrheit.
Feiertage?
Nüchtern betrachtet, unmöglich. Das Oktoberfest ist kein Fest, es ist ein alkoholisches Muskelspiel, bei dem Maßkrüge zum olympischen Gerät mutieren. Karneval? Der Beweis, dass man schon um 10 Uhr morgens als betrunkener Clown mehr akzeptiert wird als ein nüchterner Mensch im Anzug. Weihnachten? Ein stilles Fest nur insofern, als dass alle lieber schweigen, wenn der Glühwein warm und das Familienklima kalt ist.
Und wenn das Leben drückt?
Dann wird nicht reflektiert, sondern eingeschenkt. Stress, Trennung, Steuerbescheid? „Erstmal einen heben.“ Alkohol ist die Antwort, egal wie absurd die Frage war. Er ist Trost, Taktik, Therapie und das alles rezeptfrei.
Der deutsche Sonderweg:
Alkohol ist keine Droge, er ist ein Kulturgut. Wer mit 14 die erste Alkoholvergiftung übersteht, wird gefeiert wie ein Initiierter. Wer mit 40 säuft, hat „halt ein Hobby“. Und wer es nicht tut? Der wird behandelt, als hätte er das Herz aus Tofu.
Und irgendwann, ganz leise, da kommt sie doch: die Stimme der Wahrheit.
Zwischen zwei Runden Korn, in der muffigen Küche, wenn das Lachen zu lang dauert und der Blick zu glasig wird. Wenn die Geschichten plötzlich nicht mehr lustig sind, sondern traurig, aber keiner es merkt. Weil alle schon zu tief drin sind.
In solchen Momenten zeigt sich, dass diese Nation vielleicht nicht süchtig ist, sondern einfach sehr, sehr müde.
Müde vom Funktionieren.
Müde vom Verdrängen.
Müde von einem System, das dich lieber trinken lässt als weinen.
Und so heben wir das Glas. Nicht aus Freude. Sondern aus Notwendigkeit. Weil das Leben sonst zu laut wäre. Oder zu leer. Oder einfach zu ehrlich.
Aber egal, Hauptsache, es läuft. Prost meine Affen oder Affen*in auf die Kapitalistische Banane!