Willkommen in Deutschland. Die Demokratie steht noch. Aber irgendetwas riecht plötzlich nach Flipchart. Nach PowerPoint. Nach Kaffee ohne Milch, aber mit Deadline. Seit heute hat dieses Land einen Kanzler, der keine Vision hat. Aber ein Workbook.
Friedrich Merz. CEO des Kanzleramts. Aktivposten der Aktiengesellschaft Bundesrepublik. Ein Mann, der nicht „führen“ sagt, sondern „übernehmen“. Er regiert nicht. Er delegiert.
Merz ist der erste Kanzler seit Jahrzehnten, dessen Herz nicht links schlägt, nicht rechts, sondern exakt in der Spalte „Ergebnisrechnung“. Er kommt nicht aus der Politik. Er kommt aus der Performancekultur. Dort, wo sich Menschen nicht begegnen, sondern vergleichen.
Und plötzlich klingt das Land anders. Aus „Sozialpolitik“ wird „Effizienzpotenzial“. Aus „Bildung“: „Investition mit Rücklaufzeit“. Und aus „Mensch“: „Standortfaktor mit Verbesserungsspielraum.“ Das ist kein Witz. Das ist Realität.
Zitat Merz, FAZ 2020: „Der Staat soll sich auf das konzentrieren, was er besser kann als der Markt.“
Heißt übersetzt: Wo der Markt gewinnt, zieht der Mensch den Kürzeren.
Zitat Merz, CDU-Parteitag 2003: „Der Staat ist nicht dazu da, jede Lebenslage zu versichern.“
Jetzt regiert ein Mann, dessen Lebenslage aus Boni, Boards und Bilanzen bestand und der deshalb kein Gefühl mehr dafür hat, wie ein Monat mit Hartz IV sich anfühlt, nicht nur berechnen lässt.
Und was machen die Leute? Sie nicken. Nicht begeistert. Aber müde. Denn Merz tut nicht weh. Er kündigt nicht an, er führt ein. Kalt. Klar. Kalkulierbar. Er verspricht nichts. Er erläutert. Er begeistert nicht. Er verwaltet. Er reißt lieber Budgets ein, als Denkweisen. Er saniert lieber Bilanzen, als Demokratie zu verstehen. Er glaubt an Ordnung, nicht an Würde.
Seine erste Regierungserklärung? Eine Exceltabelle mit Bundesadler. Kein Wir. Kein Warum. Kein Weg. Nur: Zielvereinbarungen. Und irgendwo sitzt ein junger Mensch, der dachte, Politik hätte mit Werten zu tun. Und merkt: Er hat den falschen Kurs belegt. Statt „Demokratie“: „Corporate Governance im föderalen Raum“.
Denn Merz regiert jetzt. Und Deutschland sieht plötzlich aus wie ein Konzern: Ministerien wie Fachbereiche. Bürger wie steuerpflichtige Belegschaft. Würde wie ein veraltetes Employer Branding-Motiv. Solidarität? War mal ein Kampagnenclaim.
Wenn jemand weint, sagt man: „Bitte reichen Sie das Anliegen schriftlich ein.“ Wenn jemand verzweifelt: „Eigenverantwortung.“ Wenn jemand fragt: „Was ist mit Menschlichkeit?“ antwortet das System: „Bitte konkretisieren Sie.“
So stirbt Politik. Nicht mit einem Umsturz. Sondern mit einer fristgerechten Übergabe im Kanzlerbüro. Nicht mit Geschrei. Sondern mit einer formatierten Fußnote.
Fußnoten:
- Friedrich Merz, CDU-Parteitag 2003
- FAZ-Interview 2020
- CDU-Positionspapier 2024: „Wir setzen auf Effizienz, Wettbewerbsfähigkeit und klare Zuständigkeiten.“
Achja die Demokratie ein Leervertrag. Vielleicht war das alles unausweichlich. Vielleicht war es nur eine Frage der Zeit, bis wir den Kanzler bekommen, der perfekt zu unseren Excel-Seelen passt. Ein Mann wie eine Pivot-Tabelle. Ein Land wie ein Meeting ohne Agenda. Eine Politik, die auf alles eine Antwort hat, solange man sie vorher in Zahlen tippt. Wir haben die Hoffnung ausquartiert und die Menschlichkeit outgesourct. Wir nennen es Fortschritt, weil es sich nicht mehr nach Chaos anfühlt, nur noch nach kaltem Strom aus LED-Deckenlampen. Und wenn das der Preis für Ordnung ist, dann war das vielleicht kein Wahltag. Sondern ein Stilllegungsbescheid.